Silvester­chlausen 2024 in Urnäsch

An einem Sonntag wird nicht “geklaust” im protestantischen Appenzell Ausserrhoden. Deshalb wird der Neue Silvester dieses Jahr einen Tag vorher, bereits am 30.12.2023 gefeiert. Allerdings werden es sich einige Chläuse nicht nehmen lassen, auch am 31. nochmal los zu ziehen. Am 13. Januar 2024 folgt der Alte Silvester, nach julianischem Kalender.

Um 5 Uhr morgens gehen im Dorfkern von Urnäsch alle Lichter aus; jegliche künstliche Lichtquellen sind unerwünscht. Beim Frühklausen betreten ehemalige Silvesterchläuse den Dorfplatz. Für 15 Minuten gibt es erste Zäuerli (Naturjodel) und lautes Schellengeläut. Das Frühklausen gibt es erst seit wenigen Jahren.

Wüeschti Larve

Im Anschluss machen sich die Aktiven langsam auf den Weg, den sogenannten “Strech”. Die Route ist geheim, jedes Jahr anders und wetterabhängig. Die Chläuse ziehen von Hof zu Hof, stellen sich in einem Kreis auf und wünschen der Hoffamilie ein gutes neues Jahr mit rhytmischem Schellengeläut und mindestens zwei, besser drei Zäuerli. Dafür werden sie mit Weisswein, Glühwein, Wasser oder Geld belohnt. Es wird nicht geklatscht, ein dezentes “Bravo” wird jedoch gern gehört.

Wüeschte Schuppel

Neben den “Schönen” und “Schön-Wüsten” Kläusen, gibt es in Urnäsch einen grossen Schuppel (Gruppe) wilder “Wüste” Kläuse, woraus sich auch ein “Wüeschte Goofeschuppel” (Kindergruppe) entwickelt hat. Deren Larven (Masken) sind meist mit Tierzähnen oder -hörner aus der Jagd versehen. Die Herstellung der Larven beginnt bereits im Oktober, da das Aushärten nach dem Formen ca. 6 Wochen benötigt. Noch vor 10 Jahren machte ein talentierter Chlaus alle Larven alleine für seinen ganzen Schuppel, heute macht sie jeder selbst. Der “Groscht” (Kostüm) wird erst kurz vor Silvester erstellt, damit die Naturmaterialien (Tannenreisig, Buchenlaub, …) auch bis zum Alten Silvester halten. Sie werden z.T. mit Gummibändern Schicht für Schicht zusammengehalten.

Wüster Goofeschuppel

Eine Schuppel besteht in der Regel aus 6 bis 8 Männern. Zwei davon sind sog. Rollenweiber, einem Vorrolli mit hoch klingenden Schellen und einem Nachrolli, dem hintersten Klaus mit tief klingenden Schellen. Dazwischen Kläuse mit absteigend klingenden Doppelschellen.

Bei schlechten Wetter gehen auch die “Schöne” als “Wüeschti” oder “Schö-Wüeschti” Kläuse, damit der schöne Kopfschmuck nicht kaputt geht. Jener wird solze 4 Jahre lang getragen und ist einiges aufwändiger in der Herstellung.

Appenzeller Sennenbuben bestaunen einen Schönen Silversterchlaus in Urnäsch

Spät Abends trifft man sich zum Abschluss mit Freunden und Bekannten im Stammlokal. Es folgen letzte Zäuerli und Schellen, bis endlich die 30kg “Groscht” abgelegt werden kann. Das Gewicht sei übrigens auch der Grund, warum keine Frauen in den Erwachsenen Schuppeln mitlaufen.

Groscht der Wüsten Silvesterchläuse

Im Gegensatz zum Neuen Silvester wird am Alten Silvester im Dorfkern von Urnäsch wenig geklaust. Es gibt kein Frühklausen. Die Schuppeln findet man dann eher ausserhalb, in Richtung Tal.

Der Ursprung dieses Brauches liegt im nördlichen Frankreich des 15. Jahrhunderts. Klosterschüler wählten am Nikolaustag einen von ihnen zum Abt, trieben Unfug und veranstalteten verkleidet Umzüge. Das passte nicht besonders zur besinnlichen Vorweihnachtszeit, worauf man das wilde Klausen auf Silvester verschob. Im 18. Jahrhundert wurde der Brauch gar verboten, doch ein Dorf von unbeugsamen Appenzellern hielt ihn am Leben.

PS: If you like to read it in english, kindly use the translators 🙂

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